Die jüngste Veröffentlichung des statistischen Bundesamts dokumentiert eine interessante und besorgniserregende Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Laut der Veröffentlichung des Bundesamtes, wurde die Lohnerhöhung (+ 1,5 %) im 2. Quartal 2013 von der Inflation „aufgefressen“ (Inflationsrate 1,5 %). Somit hatten die Arbeitnehmer zwar mehr Geld in der Tasche, mehr leisten konnten sie sich jedoch nicht, weil die Preise im gleichen Maße wie die Löhne gestiegen sind. Im ersten Quartal 2013 kam es sogar zu einem Kaufkraftrückgang von 0,1 %, d.h. die Preise stiegen stärker als die Löhne im gleichen Zeitraum. Laut statistischem Bundesamt wurde die Entwicklung im Frühjahr 2013 durch vergleichsweise geringe Lohnerhöhungen verstärkt. So hielten sich die Unternehmen, aufgrund der Konjunkturschwäche, bei  Sonderzahlungen (z.B. Bonis) an die Mitarbeiter zurück.

Daraus ergibt sich die Frage, was kann getan werden um die Kaufkraft der Bevölkerung zu steigern? Hierfür gibt es zwei Stellschrauben, die Inflationsrate senken auf der einen und Lohnsteigerungen auf der anderen Seite. Letztere können mittelfristig Probleme verursachen, wenn die Lohnforderungen in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Entwicklung stehen. Im Ergebnis würden überhöhte Lohnforderungen mittelfristig zu Kaufkraftverlusten (Preiserhöhungen bis hin zu Entlassungen) führen, da Unternehmen die gestiegenen Kosten irgendwie bezahlen müssen. Somit ist die einzig sinnvolle Stellschraube, das Senken der Inflationsrate bzw. das bekämpfen von Inflationsrisiken. Jedoch soll hier erwähnt werden, dass die Inflationsrate einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Lohnforderungen der Arbeitnehmer hat. Hintergrund ist, das Arbeitnehmer und deren Vertreter i.d.R. einen sogenannten Inflationsausgleich in Form von Lohnsteigerungen fordern.  Aus den gerade geschilderten Zusammenhängen ergibt sich die Frage, welche Faktoren tragen zur Steigerung der Inflationsgefahren bei?

Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland lassen sich die wesentlichen inflationstreibenden Faktoren in die vier Ursachenkategorien „Lohn- Preis- Spirale“, „lockere EZB-Zinspolitik“, „volatiler Euro“ und „Liquiditätsflut“ unterteilen. Im Folgenden werden die gerade genannten Kategorien erläutert und in einen Gesamtkontext gesetzt.

Lohn-Preis-Spirale
Vereinfachte Darstellung der Lohn-Preis-Spirale

Eine „Lohn-Preis-Spirale“ entsteht i.d.R. immer dann, wenn Unternehmen als Folge stark gestiegener Löhne die Preise für Ihre Produkte erhöhen um gestiegenen Produktionskosten aufzufangen. Als Reaktion auf die Preiserhöhungen fordern Arbeitnehmer und deren Vertreter wiederum höhere Löhne um den Verlust an Kaufkraft auszugleichen. Mit anderen Worten, die Wirtschaft befindet sich in einer Art „Endlosschleife“, da höhere Löhne höhere Preise zur Folge haben und umgekehrt. In Deutschland können die Gefahren einer beginnenden „Lohn-Preis-Spirale“ aktuell nicht verneint werden. Aufgrund der guten Konjunktur, konnte u.a. in der Metallindustrie und im öffentlichen Dienst (Bund, Kommunen) 4,6 % bzw. 6,3 % mehr Lohn durchgesetzt werden. Daraufhin waren die Metallindustrie, der Bund und die Kommunen teilweise gezwungen Preise bzw. Abgaben und Gebühren zu erhöhen um die gestiegenen Kosten aufzufangen. In den kommenden Lohnrunden ist es dann wiederum nicht unwahrscheinlich, dass Arbeitnehmervertreter auf einen sog. „Inflationsausgleich“ drängen werden. Dieses gegenseitige Aufschaukeln von Löhnen und Preisen sollte von den Tarifpartnern (Arbeitgeber, Gewerkschaften) verhindert werden, da es früher oder später zu wirtschaftlichen Problemen in den Unternehmen führt und in der Folge zu Inflation bzw. Kaufkraftverlusten durch höhere Preise oder Entlassungen führt.

Neben wirtschaftlich vernünftigen Tarifverträgen wäre eine andere mögliche Reaktion auf Anzeichen einer „Lohn-Preis-Spirale“ die Erhöhung des Leitzinssatzes durch die Zentralbank (EZB). Eine Leitzinserhöhung würde eine „Liquiditätsflut“ in den Märkten verhindern, da Geld nicht mehr so billig zu haben ist und somit zumindest die Gefahr zusätzlicher Kosten durch neue Kredite gemindert wird. Denn auch diese Kosten werden an den Kunden, durch Preiserhöhungen, weitergeleitet und dann gilt wieder der oben beschriebene Zusammenhang.

Jedoch ist zu erwarten, dass der EZB in Sachen Leitzinserhöhung aktuell die Hände gebunden sind. Eine Leitzinserhöhung würde die Krisenstaaten der Eurozone (u.a. Griechenland) vor sehr große Probleme stellen, da neue Übergangskredite für sie nicht mehr oder nur schwer zu finanzieren  wären. Grund dafür ist, dass bei einer Leitzinserhöhung die Kosten für zukünftige Kredite steigen. Von einer Leitzinserhöhung wären auch aktuelle Finanzierungen betroffen, sofern diese mit flexiblen Konditionen (z.B. Euribor + x %) versehen sind. Eine Erhöhung dieser Kosten würde in einigen dieser Staaten evtl. zu einem Staatsbankrott führen, da der Staat aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung keinen Spielraum für Abgabenerhöhungen hat. So würden Steuererhöhungen die ohnehin schon geringe Kaufkraft der Bevölkerung weiter senken und damit die Konjunktur solcher Staaten weiter schwächen. Um den Krisenstaaten dieses Szenario zu ersparen, wird die EZB  den Leitzins wohl, trotz aller Inflationsgefahren durch eine mögliche „Liquiditätsflut“, weiterhin relativ niedrig halten.

Liquiditätsflut
Vereinfachter Prozess bei Niedrigzinspolitik

Neben diversen angeschlagenen Staaten haben insbesondere die Finanzmärkte zur Niedrigzinspolitik der EZB beigetragen. Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, mistrauten sich die Banken untereinander so sehr, dass sie sich untereinander kaum noch Geldgeschäfte abschlossen bzw. nur zu horrenden Konditionen. Dies führte bei den Banken dazu, dass ihre fristeninkongruenten Finanzierungen „umkippten“, da die Neueindeckung mit Liquidität zu teuer wurde oder im Extremfall nicht genügend Mittel zur Verfügung standen. Um nun eine Kettenreaktion am Finanzmarkt zu verhindern, ermöglichte die EZB den Banken, durch niedrige Zinsen, verhältnismäßig günstig an Liquidität zu kommen. Da die Banken die „neue“ Liquidität nicht an den Markt weitergeben, wirkt sich diese auch nicht auf die Inflationsrate aus. Es kommt jedoch zu einer Erhöhung der Inflationsgefahr bzw. der Inflationsrate, wenn die Banken sich entschließen die Liquidität, in Form von bspw. Krediten, in den Markt zu geben. Das Resultat wären Preissteigerungen, da die Unternehmen ihre erhöhten Kreditkosten (weil mehr Kredite) nicht selbst bezahlen wollen.  Für den Endverbraucher bedeutet das, er kann sich, bei gleichbleibendem Einkommen, nicht mehr so viel für sein Geld kaufen (Inflation = Kaufkraftverlust).

Die letzte bedeutende Inflationsgefahr für Deutschland, resultiert aus dem volatilen Euro. Aufgrund der Niedrigzinspolitik und der Haushaltskrisen in div. Staaten, hat der Euro ggü. Dem US-Dollar an Wert verloren. Insbesondere für rohstoffarme Länder wie z.B. Deutschland ist ein schwächerer Euro  kritisch, da sie die Rohstoffe (Öl, Metall etc.) importieren müssen. An den Märkten werden Rohstoffe in der Regel in US-Dollar gehandelt. Somit verteuern sich z.B. für Deutschland die Rohstoffe (ungünstiger Wechselkurs), obwohl die tatsächlichen Preise gleichgeblieben sind. Auch hier gilt wieder der schon genannte Zusammenhang, die Unternehmen werden erhöhte Beschaffungskosten an die Kunden bzw. den Endverbraucher weitergeben.

mindereinnahmen
Vereinfachte Beschreibung eines Inflationskreises

Bisher wurden in diesem Beitrag lediglich die Inflationsgefahren und die Zusammenhänge zwischen Inflation und Kaufkraft beschrieben. Jedoch sollte an dieser Stelle ein zentraler Effekt der geschilderten Zusammenhänge nicht unerwähnt bleiben. Kaufkraftverluste führen zu Mindereinnahmen beim Staat (hier Deutschland), da er aufgrund der gesunkenen Kaufkraft weniger Steuern (z.B. Umsatzsteuer, Unternehmenssteuer) erhält. Der Grund dafür ist, dass sich die Arbeitnehmer, aufgrund der gesunkenen Kaufkraft, nicht mehr so viel von ihrem Geld kaufen können. Im weiteren Verlauf gehen die Gewinne der Unternehmen zurück, was im Extremfall zu Arbeitsplatz verlusten führt (Kaufkraftverlust) . Mit dem Ergebnis, dass die Steuerlast von Unternehmen bzw. Arbeitnehmern sinkt und so zu einem Rückgang der Steuereinnahmen des Staates führt.  Gleichzeitig aber soll der Staat, als Arbeitgeber,  seinen Bediensteten einen „Inflationsausgleich“, in Form von höherem Lohn zahlen. Somit schließt sich der Kreis zum Beginn des Beitrages und wir wären wieder bei der „Lohn-Preis-Spirale“ angelangt.

Abschließend ist Festzuhalten, dass lediglich die Inflationsgefahr „Lohn-Preis-Spirale“ von Deutschland alleine gelöst werden kann. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die jeweiligen Tarifparteien (Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmervertreter) sich der Inflationsgefahr (vgl. Inflationskreis) bewusst sind und vernünftige Vereinbarungen treffen. Bei den anderen genannten Inflationsgefahren, ist Deutschland von der Situation in anderen Ländern/ Organisationen abhängig und kann die Bekämpfung „nur“ Mitbeeinflussen. Grundsätzlich gilt jedoch die Bekämpfung der Inflation beginnt beim Staat und einer angemessenen Wirtschaftspolitik.