„Controlling wird durch die voranschreitende Digitalisierung verdrängt!“, dieses für das Controlling geradezu apokalyptische Zukunftsbild findet man in vielen Unternehmen als Zukunftsvision vor. Doch entspricht das der Tatsache oder ist es vielmehr so, dass sich die Rolle des Controlling verändern wird?

Wie hoch sind ihre Einstandskosten in den USA? Was ist der Gewinn Ihrer Ozeanien-Division? Wie hoch ist der Deckungsbeitrag bei Verkäufen in Brasilien? Fragen auf die ein Geschäftsführer eines Unternehmens üblicherweise in diversen Gremien antworten muss. Doch seit dem Voranschreiten der Digitalisierung muss ein Unternehmen zunehmend in der Lage sein, Informationen in immer kürzeren Abständen zur Verfügung zu stellen. Immer aktueller Informationen in immer kürzer werdenden Zeitabständen sind nicht ohne EDV-Unterstützung denkbar. Einige Autoren läuten in diesem Zusammenhang bereits das Ende des Controllings ein, da ein Computerprogramm den Controller mit seinen Aufgaben in naher Zukunft ersetzen kann.
Für das klassische „Zahlen wälzen“ trifft diese These sicherlich zu, ein Computer kann wesentlich schneller als ein Mensch Zahlen und Statistiken errechnen. In diesem Zusammenhang sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die Zahlen auch in einen Kontext gesetzt werden müssen. Bei der Interpretation von Kennzahlen ist ein Computer jedoch begrenzt, er wird die Zahlen immer nach menschlichen Vorgaben interpretieren. Die These müsste also lauten, die Digitalisierung wird das Controlling nicht ersetzen, sie wird aber den Beruf des Controllers verändern.

Die neue Rolle des Controlling

Zukünftig wird ein Controller viel mehr auf Augenhöhe mit der Unternehmensleitung kommunizieren, die Unterstützungs- und Ergänzungsfunktion wird bei den Aufgaben des Controllings stärker betont. Die Unternehmensleitung wird den Controller häufiger als internen Berater nutzen, der mit seinem Spezialwissen zu einer qualitativ besseren Aussage beiträgt. Verdeutlicht man sich, dass am Ende der Digitalisierung nur eine Steuerung des Unternehmens per Realtime-Daten stehen kann, so ist die These zu Beginn des Absatzes fast schon evident. Ein mögliches praktisches Szenario der Zukunft ist, dass die Unternehmensleitung mit dem Aufsichtsrat Daten diskutiert, welche zum gleichen Zeitpunkt auch dem entsprechenden Sachbearbeiter vorliegen. Die Digitalisierung geht sogar noch einen Schritt weiter, sie wird eine Echtzeitauswertung des Unternehmens in jegliche Richtung ermöglichen. Daraus folgt, der Aufsichtsrat bzw. die Unternehmensleitung wird nicht mehr auf eine Tagesendverarbeitung warten müssen um sämtliche Daten ihres Unternehmens auszuwerten. Da eine Geschäftsleitung sich im Regelfall mit dem „großen Ganzen“ beschäftigt und nur punktuell in Details gehen kann, wird sie zukünftig Controller benötigen, welche in der Lage sind einzelne Daten schnell in einen Gesamtkontext zu bringen. Mit anderen Worten, der Controller Meier wird häufiger gefragt, „Wie sehen Sie diesen Sachverhalt…?“. Eine Antwort mit zu vielen Zahlen und Details ist hier seitens des Controllers fehl am Platze. Der jeweilige Controller muss in der Lage sein, den vorliegenden Sachverhalt zusammenzufassen ohne dabei die notwendigen Details zu vernachlässigen. Das bedeutet, Controlling muss sich in die Rolle eines Geschäftsführers bzw. Aufsichtsrats versetzen um in der Folge das Informationsbedürfnis des jeweiligen Gremiums oder Empfängers zu antizipieren und schlussendlich auch decken zu können.

Der staatliche Wille zur Digitalisierung

Das die im vorherigen Absatz geschilderte Rollenveränderung des Controllers eine aktuelle praktische Relevanz hat ist insbesondere in der Finanzindustrie zu sehen. Durch Vorschriften, wie BCBS 239 und diverse Stresstests, dokumentiert die staatliche Autorität ihren Anspruch in der Finanzindustrie standardisierte und automatisierte Prozesse zu etablieren. Beispielsweise fordert die Vorschrift BCBS 239 von den Finanzinstituten nur noch in einer überschaubaren Menge Auswertungen durch Menschen vornehmen zu lassen. Der Mensch soll sich auf die Interpretation der von Computerprogrammen generierten Auswertung konzentrieren. Hintergrund ist die Minimierung von menschlichen Fehlern und „politischen Auswirkungen“. Des Weiteren fordern Aufsichtsbehörden von Unternehmen immer komplexere Meldungen in immer kürzeren Intervallen, so dass mit diesen Abfragen auch implizit die Leistungsfähigkeit der IT-Systeme mit der Meldung gerprüft wird.

Fazit und Ausblick

Die vorherigen Absätze haben gezeigt, dass die zunehmende Digitalisierung in Unternehmen nicht mehr aufzuhalten ist. Der Zwang zur Digitalisierung ergibt sich aus den immer höheren und aktuelleren Informationsanforderungen seitens der Geschäftsleitung und Aufsichtsräte einerseits von innen heraus. Andererseits wird aber auch der Druck seitens der staatlichen Aufsichtsbehörden (vor allem im Finanzsektor) auf die Unternehmensleitung sukzessive erhöht, die Digitalisierung im Unternehmen weiter voran zu treiben. Darüber hinaus lassen sich aus schnellen und flexiblen IT-Systemen Wettbewerbsvorteile generieren (Beispiele: Onlinehandel und Flugverkehr), so dass diese Tatsache ebenfalls den Zwang zur Digitalisierung in Unternehmen erhöht. Für das Controlling besteht die Aufgabe sich den immer volatileren Rahmenbedingungen anzupassen und den Anforderungen seiner „Kunden“ gerecht zu werden. Die neuen Rahmenbedingungen bewirken sicher nicht das „aussterben“ des Controllings oder das Ende des Berufs „Controller, definitiv wird es aber die Rolle des Controllings bzw. des Controllers verändern. Es ist sogar damit zu rechnen, dass der Controller wesentlich häufiger als der interne Berater oder Lotse zum Gewinn wahrgenommen wird, was sicherlich zu einem positiveren Bild des Controllings beiträgt.